Compliance: Einführung von Rechtskatastern in der öffentlichen Verwaltung — Beitrag von Christoph Hagen, Compliance Manager (u. a. WDR und AfA AG)

Christoph Hagen
3 min readApr 12, 2021

Verordnungen, Gesetze und Vorschriften sind wichtige Grundlagen der öffentlichen Verwaltung. Neben ihrer Informationsfunktion für die Bürgerinnen und Bürger bilden Sie den Maßstab für die Arbeit der Verwaltung und ihrer Beschäftigten. Die zunehmende Beschleunigung der Arbeitswelt schaffen es viele Behörden nicht mehr, Ihre Dienststellen angemessen zu informieren.

Eine Lösung bieten elektronische Rechtskataster. Diese sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung bislang kaum im Einsatz.

Die aktuelle Pandemie stellt die öffentliche Verwaltung vor besondere Herausforderungen. Im Tagesrhythmus geben Städte und Kommunen neue Corona-Schutzverordnungen heraus. In vielen Bereichen ist daher nicht nur schnelles Handeln gefordert. Es stellt sich insbesondere auch die Frage, wie ein angemessener interner Informationsfluss sichergestellt werden kann. Oft sind die Verordnungen überholt, bevor sie überhaupt auf dem Schreibtisch der zuständigen Sachbearbeitung angekommen sind.

Für die Arbeit der Verwaltung sind Verordnungen, Gesetze und Vorschriften wichtig. Neben ihrer Informationsfunktion bilden Sie den Maßstab für das interne Verwaltungshandeln und dir Rechtsreue ihrer Beschäftigten. Sie schützen die Mitarbeiter*innen des öffentlichen Bereiches davor, aus Unwissenheit gegen geltende Gesetze zu verstoßen. Häufig liegen den eigenen Verordnungen einzelne Gesetze oder Normen zugrunde, die auch in der behördlichen Arbeit ihre Auslegung und ihren Niederschlag finden müssen.

Nicht alle Gesetze sind so prominent wie etwa die EU-Datenschutz-Grundverordnung. Vielmehr kann es sein, dass weniger bedeutsame Neuregelungen oder Novellierungen in der öffentlichen Verwaltung nicht oder nur spät wahrgenommen werden. So besteht das Risiko, dass die speziellen interne Regelungen nicht mehr den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und das unzulässigem und unrechtmäßigem Verwaltungshandeln Vorschub gegeben wird.

Auch personenbezogene Veränderungen, wie behördeninterne Wechsel von einem Fachbereich in den nächsten oder auch längere Abwesenheitszeiten wie Erziehungsurlaube können diese Problemlage befördern.

Zur Lösung dieser Probleme hat sich in der freien Wirtschaft unter dem Begriff „Compliance“ seit einigen Jahren eine Disziplin etabliert, die sich mit genau diesen Fragen befasst. Wie schafft man es, rechtskonformes Handeln in großen Organisationen zu fördern und letztlich damit den Organisationspflichten nachzukommen?

Das gängige Element in sogenannten Compliance-Management-Systemen stellen die sogenannten Rechtskataster dar. Dies sind elektronische Systeme, die teilweise bereits sehr günstig zu erwerben sind. Solche Systeme sind in der Lage, jede Änderung von Gesetzen, Verordnungen oder auch intern Vorschriften zuverlässig an diejenigen Personen zu melden, für die und für deren Handeln die Regelung von Bedeutung ist.

Bevor solch ein Rechtskataster jedoch wirksam werden können, müssen von Seiten der Verwaltung einige vorbereitende Schritte ergriffen werden. Insbesondere drei Maßnahmen sind von Bedeutung:

Im ersten Schritt muss der Fachbereich alle Gesetze, behördliche Verordnung und Richtlinien aufführen, die für den Bereich von Bedeutung sind und diese Regelungen auch einzelnen Beschäftigten zu orten. Bewährt hat sich, dass die Beschäftigten selbst melden, welche Regelung sie in ihrem Arbeitsalltag nutzen und beachten.

In einem zweiten Schritt muss eine zentrale Stelle diese Meldungen zusammenführen und kategorisieren, d.h. jeder Regelung konkret alle Namen von Dienstkräften oder auch bestimmte Planstellen zuordnen.

Danach werden diese Zuordnungen und Informationen in das Rechtskataster eingepflegt und regelmäßig aktualisiert, zum Beispiel bei Personalwechseln. Also, welche Regelung ist von Bedeutung, und welche Personen müssen diese in aktueller Form vorliegen haben? Die Funktionsweise der gängigen Rechtskataster auf dieser Basis ist dann so, dass jedes Mal, wenn sich eine Änderung der zugrundeliegenden Regelungen erfolgt, automatisch eine E-Mail an die jeweilige Dienstkraft oder Dienststelle ergeht.

Durch diesen Automatismus wird die jeweilige Verwaltung oder Dienststelle zuverlässig in die Lage versetzt, sehr zeitnah ihre Beschäftigten über relevante regulatorische Änderungen zu informieren. Im Zweifels- oder gar Streitfall kann auch der Nachweis geführt werden, dass diese Information im Sinne der Informationspflicht erfolgt ist.

Fazit: Mit der Einführung von internen Rechtskatastern kann die öffentliche Verwaltung eine wichtige Grundlage schaffen, ihre interne Informationsstruktur an die zunehmende Beschleunigung der externen Anforderungen anzupassen. Der organisatorische Aufwand der Neueinrichtung eines Rechtskataster ist überschaubar, die Pflege der elektronischen Daten danach nicht aufwändiger, als dies bei verwaltungsüblichen Postverteilern der Fall ist.

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Christoph Hagen
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Christoph Hagen war beim WDR Westdeutscher Rundfunk unter anderem als Compliance Manager und Leiter der Revision tätig. https://www.hagen-hagen.de/