Compliance: Zur Struktur von Verwaltungsvorschriften — Bürokratieabbau?

Christoph Hagen
4 min readApr 23, 2021

Eine besondere Herausforderung in der Praxis der Compliance-Arbeit steht in der Bearbeitung des Regelwerkes. Häufig wird die Compliance-Stelle hinzugezogen, wenn es darum geht, betriebliche Vorgänge und regelungsbedürftige Sachverhalte in innerbetriebliche schriftliche Vorschriften zu überführen. Damit die neue Vorschrift ihr Ziel erreicht und von den Beschäftigten akzeptiert und angewendet wird, muss diese verständlich und nutzerfreundlich gestaltet sein. Bei Unternehmen, die bereits ein größeres Regelwerk haben, kommt es zu dem darauf an, dass die neue Vorschrift im Regelwerk gefunden und von anderen Regelungen unterschieden werden kann.

Das Bundesministerium der Justiz hat dazu eine Hilfestellung herausgegeben, das „Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Empfehlung für die Gestaltung von Rechtsvorschriften“. Hier können auch einige Hilfestellungen für den betrieblichen Alltag im Hinblick auf die Formulierung und Gestaltung von innerbetrieblichen Vorschriften abgeleitet werden.

(https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/RechtsdurchsetzungUndBuerokratieabbau/HandbuchDerRechtsfoermlichkeit_deu.pdf;jsessionid=6E7A1D245C9877BCE460FDBBE920A6C5.1_cid297?__blob=publicationFile&v=2)

In der Compliance-Praxis hat es sich bewährt, insbesondere auf die folgenden acht Punkte zu achten:

1. Damit die Leser*innen schnell einen Überblick über die Vorschrift bekommen, sollten die Regelungen klar und einheitlich strukturiert sein. Sie sollten immer einen Kopfteil, einen Textteil und einen Schlussteil enthalten. Insbesondere im Kopfteil und Schlussteil sollten die Leser*innen stets die gleichen Strukturinformationen vorfinden.

2. Die Überschriften sollten aussagekräftig sein, damit die Leser*innen sich bereits anhand der Überschrift in der Vorschriftensammlung orientieren können. So kann die passende Vorschrift zügig gefunden und von anderen Vorschriften abgegrenzt werden und es wird klar, ob sie von höherem oder niederem Recht sind. So sollte die Überschrift beispielsweise enthalten, ob es sich um eine Dienstanweisung oder um eine Dienstvereinbarung mit dem Personalrat handelt. Auch eine kurze Inhaltsangabe und eine Kurzbezeichnung haben sich als hilfreich herausgestellt, um die Vorschrift inhaltlich von anderen Regelungen abzugrenzen.

3. Eingangs der Vorschrift sollte die Fassung klargestellt werden. Mit dem Datum des Inkrafttretens oder dem Datum für eine Novellierung wird die Vorschrift eindeutig gekennzeichnet. Den Leser*innen ist es so möglich, neue und ältere Fassungen sofort voneinander abzugrenzen. Dazu trägt auch bei, in der Eingangsformel klarzustellen, wer die Verwaltungsvorschrift erlassen hat und welche Stellen dieser gegebenenfalls zugestimmt haben.

4. Bei längeren Vorschriften trägt ein Inhaltsverzeichnis zur Übersicht und zur Orientierung in der Regelung bei. Es hat sich bewährt, ab einer Zahl von fünf Paragraphen ein Inhaltsverzeichnis als Gliederungshilfe vorzusehen.

5. Der Aufbau des Textes, also die Gliederung der Paragraphen, hängt von den zu regelnden Tatbeständen ab. Zunächst sollte stets eine Festlegung des Anwendungs- und Geltungsbereichs erfolgen. Wenn die Vorschrift Bezug auf höherrangige Regelungen nimmt oder darauf aufbaut, sollte dieses im Eingang des Textteils klargestellt werden.

Der Textteil sollte so strukturiert werden, dass vom Groben zum Feinen vorgegangen wird, also sollte das Wichtige vor dem Unwichtigen stehen, die Regel vor der Ausnahme und die Pflicht vor der Sanktionierung bei nicht Einhaltung.

6. In Anlagen können zur Entlastung des Textteils gesonderte Tabellen, Listen und Abbildungen beigefügt werden. Dies ermöglicht, bestimmte Sachverhalte zu aktualisieren, ohne den eigentlichen Textteil anfassen zu müssen. Häufig findet man beispielsweise Gehaltstabellen in den Anlagen zu Tarifverträgen. Auch solche Anlagen sollten nummeriert und eindeutig gekennzeichnet sein, um Verwechslungen vorzubeugen.

7. Der Textteil sollte gut gegliedert sein. Für jeden Regelungstatbestand sollte ein Paragraph verwendet werden. Längere Paragraphen sollten in Absätze unterteilt sein und so gegliedert werden. Aufzählungen in den Absätzen sollten nummeriert werden. Vorschriften mit zahlreichen Paragraphen oder unterschiedlichen Regelungsbereichen können in Abschnitte unterteilt werden, um die Orientierung für die Leser*innen zu verbessern.

8. Der Schlussteil der Vorschrift sollte regelmäßig mindestens die folgenden Strukturelemente enthalten: Das Datum des Inkrafttretens, wer die unterzeichnende Person ist und in welcher Funktion sie mit Blick auf die Vorschrift handelt. Falls die Vorschrift eine Überarbeitung einer bereits bestehenden Regelung ist, sollte klargestellt werden, welche alten Versionen ersetzt oder außer Kraft gesetzt werden. Falls es Anlagen gibt, sollten diese hier abschließend nochmals aufgeführt werden.

Mit diesen praktischen Hinweisen kann die Compliance Stelle-darauf hinwirken, dass neue Vorschriften eine gleichförmige Struktur aufweisen und für die Beschäftigten verständlich und besser zugänglich werden. Dies trägt zur Regeltreue bei und ist somit ein wichtiges Instrument, den Wirkungsgrad der Compliance-Stelle zu erhöhen.

Fazit: Gerade bei Unternehmen und Verwaltungen mit einem komplexen Regelwerk ist es eine herausfordernde Aufgabe, schrittweise die Verständlichkeit und Wirksamkeit der Vorschriften zu erhöhen. Letztlich kommt es drauf an, mit jeder einzelnen Vorschrift eine Verbesserung zu erzielen. Dabei können praktische Vorgaben und insbesondere auch ein standardisierter Aufbau helfen. Diese langfristige und fordernde Aufgabe ist ein wichtiger Baustein im Compliance-Management-System und trägt zum Bürokratieabbau bei. Wenn es der Compliance-Stelle gelingt, mit guten Vorschriften zu überzeugen, kann dies ihre Akzeptanz nachhaltig erhöhen.

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Christoph Hagen war beim WDR Westdeutscher Rundfunk unter anderem als Compliance Manager und Leiter der Revision tätig. https://www.hagen-hagen.de/